Sonntag, 23. Oktober 2005

In den Klöstern Tibets wird erneut die “patriotische Erziehung” eingeführt

Die VR China hat, wie tibetische Mönche, die ins Exil flohen, berichten, wieder mit ihrer Kampagne der “patriotischen Erziehung” in den monastischen Institutionen Tibets begonnen. Sie wird noch drastischer als früher durchgeführt, vor allem in den Klöstern in und um Lhasa. Es habe als Folge dieser Kampagne eine ganze Reihe von Ausweisungen von Mönchen aus ihren Klöstern gegeben.

Wie drei junge Mönche, die im September aus Tibet flohen, erzählten, fand in ihrem Kloster Talung im Kreis Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa, im Juni die “patriotische Erziehung” statt. Von den 120 Mönchen, die in dem Kloster lebten, waren nur 20 beim Amt für Religionsangelegenheiten gemeldet. Schon zuvor wurden fünf Broschüren politischen Inhalts an die Mönche verteilt, die sie anschließend durcharbeiten mussten; zwei weitere Druckschriften wurden im Juni 2005 ausgegeben. Es wurde ihnen angekündigt, dass im Juli Kader vom Religionsbüro des Landkreises zur Abhaltung von Prüfungen in ihr Kloster kommen würden. Dann müssten alle Mönche über 18 Jahre den Dalai Lama als “Separatisten” verurteilen und dem Mutterland China Loyalität schwören. Als sie von den Bedingungen hörten, die von den Behörden für eine offizielle Aufnahme in das Kloster gestellt werden, machte sich eine große Zahl von Mönchen noch vor Ankunft der Kader aus dem Staub.

In einem anderen Fall suchten Kader des Amtes für religiöse Angelegenheiten im Juni 2005 das Nonnenkloster Gyabdak in dem Dorf Dzongshul im Kreis Phenpo Lhundrup heim. Sie hielten die “patriotische Erziehung” ab und verlangten, dass alle 50 Nonnen sich einzeln fotografieren ließen. Außer sechs, die dem Demokratischen Verwaltungsrat (DMC) angehören, weigerten sich alle anderen Nonnen dem Befehl Folge zu leisten. Daraufhin erklärten die Beamten ihre Registrierung im Kloster für ungültig und ordneten ihre sofortige Ausweisung an. Die Einzelphotos sollten angeblich zu Propagandazwecken gemacht werden. Die ausgestoßenen Nonnen seien nach Hause zurückgekehrt.

Anfang April 2005 begannen Kader vom Büro für Religionsangelegenheiten Lhasa mit einem dreimonatigen Kurs für “patriotische Umerziehung” in Sera, einem der drei Großklöster Tibets. Den Mönchen wurden sechs Broschüren mit den Titeln “Handbuch zur Zermalmung der Separatisten”, “Handbuch über zeitgenössische Politik”, “Handbuch über Religionspolitik”, “Handbuch über Recht und Gesetz”, “Handbuch über Ethik für das Volk”, “Handbuch über die Geschichte Tibets” zum Studium gegeben.
Die Kader setzten vier Schulungen pro Woche an und stellten den Mönchen nach dem Zufallsprinzip Fragen zu den Texten. Zum Abschluss der auf drei Monate angesetzten Kampagne wurde im Juli eine Prüfung abgehalten, um die Mönche zu testen, inwieweit sie dem Staat gegenüber loyal sind. Wie es heißt, hätten 18 Mönche das Kloster verlassen müssen, von denen acht sogar im Haftzentrum des Public Security Bureau festgehalten wurden.

Bei einem anderen Zwischenfall, der noch der Bestätigung bedarf, wurden im Zuge der “patriotischen Erziehung” 13 Nonnen aus dem Kloster Shugseb, das in den Außenbezirken der Stadt Lhasa liegt, ausgewiesen. Ein Mönch des Klosters Drepung, der kürzlich ins Exil floh, berichtete, dass die Kampagne in seinem Kloster in der ersten Oktoberwoche begonnen habe.

Am 31. Oktober 2004 sagte Lobsang Gyurmey, der Vorsitzende des Komitees für patriotische Erziehung in Lhasa, als er einen einwöchigen Workshop für die mit der “patriotischen Umerziehung” beauftragten Kader eröffnete: “Die patriotische Erziehung muss in den Klöstern intensiv durchgeführt werden, um spalterische Aktivitäten zu unterbinden. Es müssen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, um der Infiltration von Literatur separatistischer Gruppen aus dem Exil ein Ende zu setzen” (er bezieht sich dabei auf Dharamsala, den heutigen Sitz des Dalai Lama).
Die Kampagne “patriotische Erziehung”, die zuerst 1996 gestartet wurde, ist eine der Hauptursachen für die religiöse Unterdrückung in Tibet. Die Kampagne hat verheerende Auswirkungen auf das Leben der Geistlichen und der Mönchsgemeinschaft.
Sie wird als Werkzeug zur Erreichung politischer Stabilität benutzt und zur Ausübung einer verschärften Kontrolle über das, was die Behörden die “Brutstätte von Dissens” nennen, womit sie die monastischen Institutionen meinen. Diese Kampagne, die unter Anwendung von Zwang durchgeführt wird und den Zweck verfolgt, den Mönchen und Nonnen Loyalität zum Staat einzutrichtern, verstößt gegen zahlreiche internationale Menschenrechtsbestimmungen über Religion.

Die monastischen Gemeinschaften befinden sich in einer äußert schwierigen Position und in einem wirklichen Dilemma: Entweder leisten sie der Partei Folge, wobei sie sich der religiösen Blasphemie schuldig machen, oder sie kehren sich heimlich oder gezwungenermaßen vom monastischen Leben ab. Die Exekutiv-Kommission des US Kongresses zu China kommt in ihrem Jahresbericht 2005, der am 11. Oktober veröffentlicht wurde, zum Schluss, dass “im vergangenen Jahr keine Verbesserung bei den Menschenrechten eingetreten ist, die Einschränkungen für Bürger, die staatlich kontrollierte Andachtsstätten aufsuchen oder für staatlich-kontrollierte Medien schreiben, jedoch schärfer geworden sind… Das religiöse Umfeld für tibetische Buddhisten hat sich nicht verbessert. Die Partei verlangt, dass tibetische Buddhisten sich China gegenüber patriotisch zeigen und sich vom spirituellen Oberhaupt ihrer Religion, dem Dalai Lama, abkehren”.

Trotz heftiger Kritik seitens der internationalen Gemeinschaft wird die Kampagne “patriotische Erziehung” und damit die religiöse Unterdrückung in Tibet unvermindert fortgesetzt. Das TCHRD hat die Ausweisung von 11.383 Mönchen und Nonnen von Januar 1996 bis August 2004 dokumentiert. Eine Liste findet sich auf Seite 57-64 des Reports “Strike Hard”.

Mit freundlicher Genehmigung: Adelheid Dönges, Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte (IGFM)
http://www.igfm-muenchen.de

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