Dienstag, 11. Oktober 2005

UN Hochkommissarin für Menschenrechte spricht nach ihrem China-Besuch sowohl von Fortschritten als auch von Problemen

Obwohl es in einer ganzen Reihe von Bereichen noch schwere Bedenken gebe und beängstigende Aufgaben zu bewältigen seien, verfüge ein rasch sich wandelndes China über ein großes Potential, was die Menschenrechte betreffe, sagte die UN Hochkommissarin für Menschenrechte. Zum Abschluss ihres einwöchigen Besuchs in China äußerte sich Louise Arbour lobend über den Fortschritt bei der Verwirklichung wirtschaftlicher und sozialer Rechte, insbesondere darüber, wie das wirtschaftliche Wachstum dort zu einer erhöhten Lebenserwartung, dem Rückgang der Kindersterblichkeit und des Analphabetismus geführt habe.

Frau Arbour wies auch auf Chinas Ratifizierung von fünf der sieben wichtigsten internationalen Menschenrechtsverträge und seine Kooperation mit den Organen der UN zur Wahrung der Menschenrechte hin. Unter Bezug auf die Vereinbarung (Memorandum of Understanding = MOU), die während ihres Besuchs mit der Regierung unterzeichnet wurde, meinte Frau Arbour, das Büro des UN Hochkommissars (ONCHR) würde China dabei behilflich sein, die Hindernisse zu beseitigen, welche der Ratifizierung der Internationalen Übereinkunft über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCRP) noch im Wege stünden.

Die Hochkommissarin betonte die Gemeinsamkeiten der beiden Menschenrechtsverträge “Internationale Übereinkunft über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte”
(ICESCR) und “Internationale Übereinkunft über Bürgerliche und Politische Rechte” (ICCRP) und meinte, die Achtung beider sei wesentlich, um die durch “wirtschaftlichen Wandel hervorgerufenen immer größeren und deutlicheren Ambitionen” der chinesischen Bevölkerung zu befriedigen. “Diese Bestrebungen manifestieren sich im Ruf nach Transparenz, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit in ihrem vollen Umfang”. Frau Arbour sagte, sie habe mit ihren chinesischen Gesprächspartnern auch eine Reihe von bedenklichen Themen erörtert, etwa eine gerichtliche Überprüfung aller den Freiheitsentzug betreffenden Entscheidungen. Ebenso forderte sie die unverzügliche Überprüfung des Systems der Administrativhaft, das in China als Umerziehung-durch-Arbeit bekannt ist.

Die Hochkommissarin äußerte sich besorgt über das ungeheure Ausmaß der Anwendung der Todesstrafe, sogar bei Verstößen, die nach internationalem Verständnis noch lange keine “Kapitalverbrechen” sind. Sie begrüßte, dass in Aussicht gestellt wurde, bei allen die Todesstrafe betreffenden Fällen die letzte Entscheidung der Zuständigkeit des Obersten Volksgerichtshof zu unterstellen*. Sie beklagte den Mangel an zuverlässigen Daten über die Anwendung der Todesstrafe und meinte: “Transparenz ist entscheidend im Hinblick auf eine sachkundige öffentliche Diskussion in dieser Frage”. Die Hochkommissarin sprach die Regierungsvertreter auch auf individuelle Fälle an, die exemplarisch sind für die Punkte, die einer Änderung bedürfen. “Ich ersuchte China, im Hinblick auf die Verbesserung der Menschenrechte eine proaktive Führungsrolle zu übernehmen, nicht nur im Sicherheitsrat, sondern allgemein auch in anderen Organen, wo es seinen Einfluss in konstruktiver Weise nutzen könnte”.

Was die Einschätzung ihres Besuches anging, so sagte die Hochkommissarin, sie glaube die Reise, die Unterzeichnung des MOU und die beiderseitigen Bemühungen um Kooperation könnten als Beweis für den Wunsch der OHCHR und Chinas gewertet werden, ihre Zusammenarbeit zur Verbesserung der Menschenrechte in dem Land fortzusetzen. “Und das wird nicht immer einfach sein”, fügte sie hinzu. “Zum Geist der Kooperation und Konstruktivität gehört, dass wir zuweilen auch kritisch sind. Ich verlasse China in der Hoffnung, dass unsere Arbeit Fortschritte macht, ermutigt von der Aussicht, dem Land bei den beängstigenden Problemen, denen es sich gegenüber sieht, helfen zu können und mit verhaltenem Optimismus wegen des enormen Potentials für einen positiven Wandel”.

* Dem Art. 48 des chinesischen Strafrechts zufolge müssen alle Todesurteile dem Obersten Volksgericht zur Überprüfung und Billigung vorgelegt werden. 1980 beschloss der ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses Chinas jedoch, die Entscheidung über Todesurteile bei Mord, Raub, Vergewaltigung, Brandstiftung und anderen Verbrechen, welche der öffentliche Sicherheit Abbruch tun könnten, auch niedrigeren Instanzen zu übertragen.

Mit freundlicher Genehmigung: Adelheid Dönges, Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte (IGFM)
http://www.igfm-muenchen.de

Montag, 26. September 2005

Chinesische Grenzsoldaten schießen auf tibetische Flüchtlinge

Kathmandu – Wie Augenzeugen RFA berichteten, eröffneten chinesische Grenzschutztruppen das Feuer auf eine Gruppe von 51 Tibetern, die nach Nepal fliehen wollte. Bis auf drei wurden alle festgenommen, und ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

“Es waren etwa 30 chinesische Soldaten, die von den nahe gelegenen Hügeln und dem Tal aus zu schießen begannen. Sie feuerten eine ganze Zeit lang auf uns”, erzählte unter der Bedingung anonym zu bleiben einer aus der Gruppe dem tibetischen Dienst von RFA.

“Ob bei der Schießerei jemand verletzt wurde, kann ich nicht sagen. Unter den Soldaten waren auch einige Tibeter. Sie sprachen Tibetisch und drohten, wir würden getötet, falls wir zu fliehen versuchten.”

Wie ein Augenzeuge berichtet, umstellten am 26. August Grenzschutzkräfte in einer bergigen Gegend im Kreis Dhingri (Dhingri Xian), Präfektur Shigatse, unweit der Grenze zu Nepal die Gruppe und nahmen 48 Personen fest. Drei konnten über den nepalesischen Distrikt Solukhumbu nach Kathmandu entkommen.

Die Mitglieder der Gruppe, die am 12. Juli von Lhasa aus gestartet war, waren verschiedenen Alters, kamen aus unterschiedlichen Orten und gingen diversen Berufen nach.

Eine Anfrage bei offiziellen Stellen, die nicht genannt werden möchten, ergab, dass die 49 festgenommenen Personen in Shigatse eintreffen sollten, aber noch nicht da seien. “Man sagte mir, sie würden heute [21. September] in Shigatse eintreffen, aber ich weiß nicht, ob sie schon da sind”. Ein weiterer Offizieller teilte mit, die Leute der Gruppe hätten diverse Gründe für ihre Flucht genannt.

“Einige sagten, sie hätten keine richtigen religiösen Unterweisungen erhalten, andere nannten die schlechten Bildungsmöglichkeiten und wieder andere gaben die miserablen Lebensbedingungen als Gründe an, warum sie fliehen wollten. Nach ihrer Ankunft hier werden sie vernommen und dann werden ihre jeweiligen Herkunftsorte kontaktiert. Sofern es sich um Kinder handelt, werden die für Bildung zuständigen Stellen eingeschaltet”, sagte er.

24 Personen der Gruppe sind aus Driru (Biru Xian) in der Präfektur Nagchu der TAR, andere kommen aus Kham und Amdo. Zu der Gruppe gehörten auch sechs Kinder im Alter zwischen 10 und 11 Jahren, sowie zwei Nonnen und ein Mönch.

“Nur drei von uns gelang es zu entkommen und Nepal zu erreichen”, erzählte einer der Geflohenen. “Der Ort, wo wir uns befanden, wurde von 30 chinesischen Grenzschützern umstellt, es gab dort keine Felsen oder Bäume, wo wir uns hätten verstecken können, die ganze Gegend war Grasland”. Wie aus anderen Quellen verlautet, wurden die drei Tibeter von UN-Flüchtlingshelfern auf einer Flugpiste in Solukhumbu aufgegriffen und nach Kathmandu gebracht.

Die chinesischen Behörden kontrollieren die Umgebung der Grenzortschaft Dram intensiv auf illegale Grenzübertritte und halten alle Personen fest, die ohne die notwendigen Ausweispapiere die Grenze überqueren wollen.

Radio Free Asia, www.rfa.org, 24. September 2005

Mit freundlicher Genehmigung: Adelheid Dönges, Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte (IGFM)
http://www.igfm-muenchen.de

Donnerstag, 22. September 2005

UNO verlangt Zugang zu tibetischem Panchen Lama

Wie die Basler Zeitung am 21.09.2005 berichtete, hat das UNO-Komitee für Kinderrechte den Zugang zum Panchen Lama verlangt. Der mittlerweile 16jährige Gedhun Choekyi Nyima, der 1995 von den chinesischen Behörden verschleppt wurde und sich seitdem an einem geheimen Ort befindet, trägt den Titel Panchen Lama bzw. Panchen Rinpoche („Großer Lehrer“). Er gilt als Reinkarnation des Buddha Amitabha („Buddha des unermesslichen Lichts“) und zweitranghöchster spiritueller Lehrer nach dem Dalai Lama. Der Präsident des UNO-Gremiums, Jacob Egbert Doek, betonte, dass der Panchen Lama „gegen seinen Willen von Tibet nach China gebracht“ wurde. Bislang lehnte China alle Forderungen ab, in denen der Zugang zu dem Panchen Lama durch eine unabhängige Person ermöglicht werden sollte. Allein dieses Verhalten, so Doek, lässt erkennen, dass „etwas nicht in Ordnung“ sei.

Weitere Links zum Thema:
http://www.tibet.ca/panchenlama/
http://www.igfm-muenchen.de
http://www.panchenlama.info
http://web.amnesty.org

Mittwoch, 21. September 2005

Kampagne „Hartes Durchgreifen“ auch im Sommer 2005

Die VR China beging am 1. September 2005 den 40. Jahrestag der Gründung der so genannten „Autonomen Region Tibet (Tibet Autonomous Region = TAR). Um einen störungsfreien Ablauf der Feierlichkeiten zu gewährleisten, wurde die „Schlag-hart-zu“-Kampagne (chin. Yanda) am 22. Juli 2005 wieder aufgenommen.

Die gegenwärtige Kampagne, die auf Veranlassung des Sicherheitskomitees für das Gründungsjubiläum der TAR und der Entwicklungsabteilung der TAR durchgeführt wird, verfolgt den Zweck, politischen Aktivismus in Lhasa, aber auch in anderen Gegenden der TAR zu unterdrücken. In erster Line richtet sie sich gegen ehemalige politische Gefangene und Tibeter, die politischer Aktivitäten verdächtigt werden. Auch die Strafgefangenen werden extra scharf überwacht.

Das China Tibet Information Centre (www.tibetinfor.com) zitierte am 22. Juli die Zeitung Tibet Daily wie folgt: „Das Sicherheitskomitee für das TAR-Gründungsjubiläum und die TAR-Entwicklungsabteilung forderten, dass die „Kampagne des Harten Zuschlagens“ im Sommer 2005 wieder aufgenommen wird. Sie wird nun ab dem 22. Juli 2005 in der gesamten TAR durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Feierlichkeiten zum 40.
Jahrestag der TAR erfolgreich und gestört verlaufen“.

2004 kündete die Regierung der VR China ihre Absicht an, das 40. Jubiläum der TAR zu einem großartigen Anlass werden zu lassen. Vorsichtshalber nahmen die Sicherheitsbehörden ehemalige politische Gefangene und sonstige politisch verdächtige Tibeter ins Visier, von denen viele bereits willkürlich inhaftiert oder verhört wurden.

Erstmals erhielt das TCHRD Anfang Juli 2005 Information über die Intensivierung der Überwachung von ehemaligen politischen Gefangenen. Es hieß, diese sowie politisch Verdächtige würden festgenommen und verhört oder sogar inhaftiert. Einige wurden aufgefordert, während des gesamten Jubiläumsmonats Lhasa zu verlassen, während bei anderen die Angehörigen die Verantwortung dafür übernehmen mussten, dass sie sich jeglicher politischer Aktivitäten enthielten. Ehemalige politische Gefangene, deren Leben ohnehin schon schwer genug ist, werden durch die intensivierte Überwachung und die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit noch mehr schikaniert.

Bereits im Jahr 1995 im Vorfeld zum 30. Jahrestag der Gründung der TAR wurden tibetische Ex-Gefangene wie Rinzin Wangyal und Sholpa Dawa willkürlich verhaftet und verhört.

Mit ihrer „Hart-Durchgreif“-Kampagne (chin. Yanda) verstoßen die Chinesen in gravierender Weise gegen internationale Menschenrechtsinstrumente. Die Sicherheitskräfte erhalten im Rahmen der Kampagne außergewöhnliche Befugnisse und können Verdächtigte verhaften, verhören, Häuser durchsuchen und illegale Drohungen und Warnungen aussprechen. Wie der Name der Kampagne besagt, wird hart und schnell zugeschlagen, was zur Folge hat, dass fundamentale Menschenrechte verletzt werden.

Die VR China hat in den vergangenen Jahren im Hinblick auf die Durchsetzung einer sozialen Ordnung diverse Kampagnen durchgeführt, die alle im Widerspruch zu internationalen rechtlichen Normen stehen. Bereits im November 2004 gab es eine „Hart-Durchgreif“-Kampagne, die den ganzen Winter über fortgeführt wurde. Die Neuauflage dieser Kampagne erhöht den Druck auf die Tibeter und erlegt ihnen noch mehr Einschränkungen auf.

Das TCHRD macht sich große Sorge um das Schicksal von ehemaligen politischen Gefangenen und derjenigen Tibeter, die sich gewaltfrei politisch engagierten. Es verurteilt die gegenwärtige Kampagne und fordert die chinesische Führung zu deren Einstellung auf.

Mit freundlicher Genehmigung: Adelheid Dönges, Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte (IGFM)
http://www.igfm-muenchen.de

Donnerstag, 15. September 2005

Verhaftungen im Vorfeld des 40. Jahrestags der TAR

Wie aus verlässlichen Quellen in Tibet verlautet, hat das chinesische Staatssicherheitsbüro (State Security Bureau = SSB) wenige Tage vor den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der TAR in Lhasa rund zehn Tibeter festgenommen. Der Name eines der Verhafteten wird als Sonam Gyalpo angegeben. Es ist derzeit nicht bekannt, ob es sich um eine vorübergehende Verhaftung handelt oder ob gegen die Betroffenen Anklage wegen einer bestimmten Straftat erhoben wird.

Sonam Gyalpo wurde am 28. August gegen 18.00 Uhr in Lhasa verhaftet. Er war gerade mit seiner Frau Tsamchoe auf dem Nachhauseweg von dem Verkaufsstand der Familie auf dem Barkhor, wo sie Kleidung verkaufen. Vier Jeeps mit 16 SSB-Beamten standen bereit, um ihn festzunehmen.

Sie verlangten, dass er seinen Haftbefehl unterschrieb, bevor ihn vier Beamte in einem der Jeeps abtransportierten. Die übrigen zwölf SSB-Kräfte durchsuchten drei Stunden lang sein Haus. Sie prüften jeden einzelnen Gegenstand des Haushalts, sie schütteten Reis, Mehl und Tsampa (geröstetes Gerstenmehl) auf die Bettlaken und zerteilten sogar die Butterlaibe in Stücke. Sie fanden vier Videobänder mit Belehrungen des Dalai Lama, ein Videoband religiösen Inhalts sowie einige Bücher und Druckerzeugnisse, die sie alle mitnahmen. Auch mehrere Fotos des Dalai Lama wurden konfisziert.

Sonam Gyalpo wurde 1955 (nach dem tib. Kalender im Holz-Schaf-Jahr) in Kongra, Distrikt Gongkar, Präfektur Lhoka, geboren; er ist von Beruf Schneider. Sein Vater, Ganpo Karma Tsewang, war vor 1959 ein Adliger und hatte in seiner Gegend viel zu sagen (tib: sadag). Er verbrachte 15 Jahre im Gefängnis, weil er die tibetischen Widerstandskämpfer unterstützt hatte. Er starb 1989. Wie viele andere Aristokraten hatte seine Mutter, Lhayang Drolkar, während der Kulturrevolution unter den so genannten “Kampfsitzungen” zu leiden und verstarb 1980 im Alter von nur 45 Jahren.

Erstmals wurde Sonam Gyalpo im September 1987 während einer friedlichen Demonstration zusammen mit 21 Mönchen aus dem Kloster Drepung verhaftet. Später wurde ihm wegen seiner Teilnahme an der Demonstration und weil er Plakate gegen die Reformpolitik angebracht hatte der Prozess gemacht, und er verbüßte drei Jahre im Drapchi-Gefängnis (Gefängnis No. 1 der TAR). Am 20. September 1990 wurde er entlassen. Als er 1993 von einer Indienreise zurückkam, wohin er sich begeben hatte, um den Segen des Dalai Lama zu erhalten, und seinen Bruder in Kathmandu zu besuchen, durchsuchten Sicherheitsleute in Dram (Khasa) an der nepalesisch-tibetischen Grenze sein Hotelzimmer. Sie beschlagnahmten ein paar Packungen Kräuterpillen, die der Dalai Lama gesegnet hatte.

Sonam Gyalpo war ohne gültige Papiere unterwegs, denn als ehemaliger politischer Gefangener hätte er keine Dokumente für eine Auslandsreise ausgestellt bekommen. Dieses Delikt war offenbar die Ursache für seinen zweiten Gefängnisaufenthalt. Gegen Mitternacht des 23. Juli 1993 verhafteten ihn chinesische Sicherheitsbeamte in seinem Haus. Er wurde ein paar Tage lang im PSB-Haftzentrum Sitru festgehalten und dann ins Nyari-Gefängnis nach Shigatse geschafft. Während der sechs Monate in Nyari wurde ihm das Besuchsrecht verweigert, danach kam er ins Sangyip-Gefängnis, wo er weitere sechs Monate blieb. Über die übrigen verhafteten Tibeter ist bisher nichts bekannt.

Übersetzung: Irina Raba, Adelheid Dönges, Angelika Mensching, Hamburg

Mit freundlicher Genehmigung: Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte (IGFM)
http://www.igfm-muenchen.de

Mittwoch, 14. September 2005

16 Jahre alt und verschleppt: Der XI. Panchen Lama

panchen_lamaSeit dem 17. Jahrhundert gibt es in Tibet die Institution des Panchen Lama bzw. Panchen Rinpoche („Großer Lehrer“). Er gilt als Reinkarnation des Buddha Amitabha („Buddha des unermesslichen Lichts“) und zweitranghöchster spiritueller Lehrer nach dem Dalai Lama. Zudem ist er eine wichtige Person bei dem Anerkennungsverfahren der Reinkarnation des Dalai Lama, die sich nicht zuletzt auf das traditionell enge Schüler-Lehrer-Verhältnis zwischen dem Dalai Lama und dem Panchen Lama gründet. Als die Reinkarnation des X. Panchen Lama Choekyi Gyaltsen erkannte der Dalai Lama am 14. Mai 1995 den damals sechsjährigen Gedhun Choekyi Nyima (geboren am 25. April 1989). Die chinesische Regierung jedoch erklärte die Bekanntgabe des XI. Panchen Lama für nicht rechtmäßig – drei Tage später wurden Gedhun Choekyi Nyima und seine Eltern verschleppt, seitdem fehlt von ihnen jedes Lebenszeichen. Stattdessen präsentierte die chinesische Regierung in einer undurchschaubaren Wahl einen mittels Loszetteln ermittelten Nachfolger: Gyaltsen Norbu, einen Jungen, der allem Anschein nach zu parteipolitischen Zwecken missbraucht werden und maßgeblichen (d.h. chinesischen) Einfluss auf die Wahl des kommenden Dalai Lama ausüben soll. In der tibetischen Bevölkerung wird dieser „Ersatz-Panchen Lama“ jedoch nicht anerkannt. Da man davon ausgehen muss, dass die Verschleppung des Panchen Lama durch die chinesische Regierung erfolgt ist, hat diese unzweifelhaft gegen die UN-Konvention über die Rechte des Kindes und gegen eine Reihe nationaler wie auch internationaler Gesetze verstoßen. Zwar teilten die chinesischen Behörden später einer britischen Delegation mit, dem Kind und seinen Eltern ginge es gut, die Eltern wünschten jedoch keine Besucher und Medien aus dem Ausland. Angeblich hätten die Eltern die chinesische Führung darum gebeten, sich ihres Sohnes anzunehmen, da er Gefahr laufe, von Separatisten gekidnappt zu werden. Seit der Verschleppung des Panchen Lama gab es eine ganze Reihe von Verhaftungen und Verschleppungen von Tibetern und tibetischen Mönchen, die sich auf die Suche des XI. Panchen Lama machten, hier nur ein paar Namen: Chadrel Rinpoche, Tashi Lhunpo, Champa Chungla, Shigatse Chadrel Rinpoche, … Mittlerweile ist der Panchen Lama Gedhun Choekyi Nyima 16 Jahre alt und noch immer veröffentlicht die Volksrepublik China keine Angaben über seinen Verbleib. Wer sich für die Freilassung des Panchen Lama einsetzen will, etwa mit einem Statement an die Vereinten Nationen oder an die Führung des eigenen Landes, kann das unter folgenden Links machen:
http://www.tibet.ca/panchenlama/
http://www.igfm-muenchen.de
http://www.panchenlama.info
http://web.amnesty.org

Dienstag, 13. September 2005

Der Preis des Widerstandes: Meine Geschichte, von Ngawang Sangdrol

Ich wurde 1977 in Lhasa, Tibet, geboren. Meine Familie war zwar arm, aber wir standen uns alle sehr nahe und ich liebte es, mit meinen zwei älteren Schwestern und den vier Brüdern allerlei Spiele zu spielen und mit ihnen zusammen zu sein.
Wenn wir alle gemeinsam zu Hause zu Mittag aßen, pflegte mein Vater uns viele Geschichten über Tibet und das tibetische Volk zu erzählen. Tibet ist seit 1949 von China besetzt, meine Familie hat wirklich sehr unter der chinesischen Herrschaft gelitten.

Mein Vater, Namgyal Tashi, erzählte uns des öfteren von dem Volksaufstand in Lhasa 1959, an dem auch er beteiligt war und der zum Tod und der Verhaftung von Zehntausenden von Tibetern geführt hatte. Meine Mutter berichtete mir, daß er während der Kulturrevolution in den Siebzigern bei den politischen ”Kampfsitzungen” oft so sehr geschlagen wurde, daß er dann bewußtlos nach Hause gebracht worden war. Später wurde ihm noch einmal viel schlimmer zugesetzt, weil er sich weigerte, ein offizielles Schriftstück zu unterschreiben, das die chinesische Politik in Tibet befürwortete. Ich war voller Bewunderung für seinen Mut und seine Entschlossenheit und hegte dieselben tiefen Gefühle für unser Land wie er.

In Tibet ist es Brauch, daß in einer Familie mindestens ein Kind ins Kloster geschickt wird, um eine religiöse Ausbildung zu erhalten, und so trat ich im Alter von 12 Jahren in das Kloster Garu ein. Meine Familie war tief religiös und dem tibetischen Buddhismus innig verbunden, weshalb ich es als ein großes Glück empfand, Nonne zu werden. Sofort fühlte ich mich in der kleinen eng zusammengewachsenen Gemeinschaft richtig wohl.

Ab meinem 12. Lebensjahr begann ich mir bewußt zu werden, wie wahr die Erzählungen meiner Mutter und meines Vaters darüber, wie sehr die Tibeter von den Chinesen unterdrückt werden, eigentlich sind. Die Tatsache, daß Tibet von den Chinesen besetzt ist, wurde für mich eine sehr persönliche Angelegenheit. Es reifte in mir der Entschluß heran, etwas zu tun, auf irgendeine Weise Widerstand zu leisten. Es ist nicht so, daß mich der Ärger dazu gebracht hätte, es ging um etwas viel Tieferes. Eines Tages sprachen einige der Nonnen davon, daß sie gegen die Chinesen protestieren wollten. Ich entschloß mich, mich diesen Nonnen bei ihrer politischen Demonstration anzuschließen.

Eines Morgens machten wir uns auf den Weg, um bei einem religiösen Fest im Norbulingka, dem ehemaligen Sommerpalast Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, unseren Plan in die Tat umzusetzen. Ich war damals erst dreizehn und die Jüngste und Kleinste in unserer Gruppe von 13 Nonnen. Wir wußten, daß unsere Aktion viel Aufmerksamkeit erwecken würde, denn bei dem Fest kommen gewöhnlich sehr viele Leute zusammen. Ebenso war es uns bewußt, daß zahlreiche bewaffnete chinesische Polizisten anwesend sein würden. Wir marschierten mutig in die Mitte der Menge und begannen ”Lang lebe der Dalai Lama” und ”Free Tibet” zu rufen. Fast noch im selben Augenblick schleiften uns chinesische Polizisten in Uniform und in Zivil weg. Sie zwängten uns in einen Lastwagen, der uns zur Haftanstalt Gutsa außerhalb der Stadt fuhr.

Als wir in Gutsa ankamen, wurden wir viele Stunden lang unter Gewaltanwendung vernommen. Die Gefängnisaufseher erklärten uns, wir seien ”Konterrevolutionäre”, die Tibet von China abspalten wollten. Die Vernehmungsbeamten schlugen uns mit Eisenrohren und manchmal auch mit elektrischen Viehstöcken. Sie banden elektrisch geladene Drähte an unsere Zungen. Sie fesselten uns sogar in der sehr schmerzhaften sogenannten ”Flieger-Stellung”, bei der einem die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden werden und man an der Decke aufgehängt wird. Mir war, als ob meine Arme aus den Schultergelenken gezerrt würden.

Die Aufseher versuchten hartnäckig herausfinden, welche von uns Nonnen den Protest angeführt hätte. Sie wollten uns unbedingt dazu bringen, daß wir uns gegenseitig denunzierten und eingestanden, daß das, was wir meinten für Tibet zu tun, falsch gewesen sei. Aber wir hielten alle fest zusammen, um ihnen Widerstand zu leisten. Jede einzelne von uns sagte, sie sei die Anführerin. Und natürlich schlugen sie uns um so mehr, weil wir nicht klein beigaben.
In der Nacht froren wir ständig und litten Hunger. Ich versuchte Regenwasser aufzufangen, indem ich meine Tasse aus dem Zellenfenster hinaushielt, aber ich war so klein, daß mein Arm kaum durch die Gitterstangen reichte.

Über Nachbarn, die von der Demonstration gehört hatten, fanden meine Eltern heraus, wo ich war, und einmal durfte mich meine Mutter, Jampa Choezom, sogar besuchen. Als ich sie sah, zwang ich mich, nicht zu weinen, denn sie sollte wissen, daß ich stark bin; ich wollte sie nicht unglücklich machen. Wir sprachen fast nichts, meine Mutter konnte keinen Ton herausbringen, so erschüttert war sie, und natürlich waren wir von bewaffnetem Gefängnispersonal umgeben. Als sie gegangen war, brach ich tränenüberströmt in meiner Zelle zusammen.

Neun Monate später wurde ich, ebenso wie die anderen Nonnen, entlassen und durfte nach Hause zurückkehren. Aber meine bisherige Welt war zerbrochen. Während ich inhaftiert war, waren auf einen Zwischenfall hin, bei dem im Kloster Samye die tibetische Flagge gehißt worden war, auch mein Vater und einer meiner Brüder, Tenzin Sherab, ins Gefängnis gekommen. Diese zu zeigen ist nämlich in Tibet verboten. Nur wenige Wochen später starb meine Mutter, wie man mir sagte, an Herzversagen. Ich denke, daß der Schock der Verhaftung meines Vaters und meines Bruders und all die langen Jahre des Leidens die Ursache für ihren Tod gewesen sind. Sie war erst 52 Jahre alt.

Ich blieb mit meinen Brüdern und Schwestern in unserem Haus wohnen, aber wir fühlten uns verlassen. Als ehemalige politische Gefangene wurde mir die Rückkehr in mein Kloster verweigert, so daß ich nicht einmal einen Halt an der Gemeinschaft der Nonnen hatte. Ich wurde ständig von der Polizei überwacht, und es war mir unmöglich, mich mit meinem Freunden zu treffen – ich mußte befürchten, sie dadurch in Schwierigkeiten zu bringen. Einige Zeit lang brachte ich Opfergaben und Gebete für meine Mutter dar und war sonst viel mit der Familie zusammen. Doch während dieser ganzen Zeit wünschte ich mir, politisch etwas tun zu können – hauptsächlich, weil ich Freunde hatte, die noch im Gefängnis saßen, andere Nonnen, die weiter leiden mußten, und ich wollte etwas tun, um zu zeigen, daß ich zu ihnen halte. Als ich etwa 15 war, ging ich mit einigen anderen Nonnen in das Viertel um den Barkhor, dem eigentlichen tibetischen Wohnviertel in Lhasa.
Kaum hatten wir begonnen, nach Freiheit für Tibet zu rufen, packten uns die Polizisten, und ich wurde abgeführt. Dieses Mal sollte es 11 Jahre dauern, bis ich wieder aus dem Gefängnis herauskam.
(Übersetzung eines von Kate Saunders mit Ngawang Sangdrol geführten bewegenden Interviews - The Cost of resistance: My Story by Ngawang Sangdrol - aus dem Buch "Incomparable Warriors". Download des kompletten Buchs (4,24 MB) unter http://www.savetibet.org/documents/pdfs)
Mit freundlicher Genehmigung: Adelheid Dönges, Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte (IGFM)
http://www.igfm-muenchen.de

Rede des Dalai Lama in Wiesbaden zum Download


Es hat zwar etwas länger gedauert, bis ich fündig wurde, doch nun endlich habe ich sie entdeckt: Die Rede Seiner Heiligkeit, der XIV. Dalai Lama, vom 28. Juli 2005 in Wiesbaden im Wortlaut. Sie kann unter folgendem Link als PDF-Dokument heruntergeladen werden: http://www.klangtraum-wiesbaden.de/downloads
Alternativ gibt es auch auf Hessen.de die Rede

It took a longer time, until I found finally the speech of His Holiness, the XIV. Dalai Lama, from 28th july 2005 in Wiesbaden. You can download the PDF-file from the following link: http://www.klangtraum-wiesbaden.de/downloads
On Hessen.de you can find also the speech of the Dalai Lama.

Finalement j'ai trouvé la parole du XIV. Dalai Lama. On peut télécharger le document (en PDF) chez: http://www.klangtraum-wiesbaden.de/downloads
On peut lire aussi la parole du Dalai Lama sur Hessen.de.

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